23) Über den Umgang mit dummen, schwachen, übertrieben gutherzigen, leichtgläubigen und solchen Menschen, die gewisse Liebhabereien und Steckenpferde haben.
Mit muntern, aufgeweckten Leuten, die von echtem Humor beseelt werden, ist leicht und angenehm umzugehn. Ich sage, sie müssen von echtem Humor beseelt werden; die Fröhlichkeit muß aus dem Herzen kommen, muß nicht erzwungen, muß nicht eitle Spaßmacherei, nicht Haschen nach Witz sein. Wer noch aus ganzem Herzen lachen, sich den Aufwallungen einer lebhaften Freude überlassen kann, der ist kein ganz böser Mensch. Tücke und Bosheit machen zerstreut, ernsthaft, nachdenkend, verschlossen, mais un homme, qui rit, ne sera jamais dangereux. Daraus folgt indessen nicht, daß jeder, der nicht von fröhlicher Gemütsart ist, deswegen etwas Böses im Schilde führen sollte. Die Stimmung des Gemüts hängt vom Temperamente sowie von Gesundheit und von innern und äußern Verhältnissen ab. Echte muntre Laune aber pflegt ansteckend zu sein, und diese Epidemie hat etwas so Wohltätiges; es ist ein so wahres Seelenglück, einmal alle Sorgen und Plagen dieser Welt weglachen zu dürfen, daß ich irgend anrate, sich zur Munterkeit anzufeuern, und wenigstens ein paar Stunden in der Woche auf diese Weise der gesitteten Fröhlichkeit zu widmen. Allein es ist schwer, in lustiger Stimmung, und wenn man dem Witze den Zügel schießen läßt, nicht in einen satirischen Ton zu fallen. Was gibt uns reichern Stoff zum Lachen als das unzählige Heer von Torheiten der Menschen? Und diese Torheiten treten am lebhaftesten vor unsre Augen, wenn wir uns die Originale dazudenken, in welchen sie wohnen. Lachen wir nun über die Narrheit, so ist es fast unvermeidlich, auch über den Narren mitzulachen, und da kann dann dies Lachen sehr ernsthafte, verdrießliche Folgen haben. Wenn ferner unsre Spöttereien Beifall finden, so werden wir verleitet, unsern Witz immer feiner zuzuspitzen, und andre, denen es außerdem vielleicht an Stoff zu muntrer Unterhaltung fehlen würde, schärfen durch unser Beispiel verführt ihre Aufmerksamkeit auf die Mängel ihrer Nebenmenschen, und was daraus entstehn könne, das ist teils bekannt genug, teils habe ich darüber schon etwas im ersten Kapitel gesagt. Ich halte es daher für Pflicht, im Umgange mit sehr satirischen Leuten auf seiner Hut zu sein. Nicht, daß man sich persönlich vor ihrer spitzen Zunge oder Feder fürchten müßte, denn das zeigt wirklich den höchsten Grad von innerm Bewußtsein eigner Erbärmlichkeit an; sondern daß man nicht durch sie verführt werde, mit zu lästern, daß man sich und andern dadurch nicht schade, und daß der Geist der Duldung nicht von uns weiche. Man zeige daher satirischen Leuten keinen zu lauten Beifall, bestärke sie nicht in der Gewohnheit, ihren Witz auf andrer Menschen Unkosten spielen zu lassen, und lache nicht mit, wenn sie lästern und schmähen! |
Erstes Buch Über den Umgang mit sich selbst 24) Mit munteren und satirischen Leuten. 1) Über die vier Haupt-Temperamente und deren Mischungen. 2) Über herrschsüchtige Leute. 3) Über Ehrgeizige. 4) Eitle. 5) Hochmutige, im Gegensatze von Stolzen. 6) Über sehr empfindliche Leute. 7) Über den Umgang mit Eigensinnigen. 8) Mit Zanksüchtigen, Widersprechern und solchen, die Paradoxa lieben. 9) Mit Jähzornigen. 10) Mit Rachgierigen. 11) Mit unentschlossenen, faulen und phlegmatischen Leuten. 12) Mit menschenfremden, mißtrauischen, argwöhnischen, mürrischen und verschlossenen Leuten. 13) Mit neidischen, hämischen, verleumderischen, schadenfrohen, mißgünstigen und eifersüchtigen Menschen. 14) Über den Geiz und die Verschwendung. 15) Über das Betragen gegen Undankbare. 16) Gegen ränkevolle Leute und Lügner. 17) Gegen Windbeutel. 18) Gegen Unverschämte, Müßiggänger, Schmarotzer, Schmeichler und zudringliche Leute. 19) Gegen Schurken. 20) Gegen zu bescheidene, zu furchtsame Menschen, 21) Gegen Unvorsichtige und Plauderhafte, Vorwitzige und Neugierige, Zerstreute und Vergessene. 22) Gegen Wunderliche, Sonderlinge und Launenhafte. 23) Über den Umgang mit dummen, schwachen, übertrieben gutherzigen, leichtgläubigen und solchen Menschen, die gewisse Liebhabereien und Steckenpferde haben. 25) Mit Trunkenbolden, groben Wollüstlingen und andern lasterhaften Leuten. 26) Mit Enthusiasten, Überspannten, Romanhaften, Kraftgenies und exzentrischen Leuten. 27) Etwas von Andächtlern, Heuchlern und abergläubischen Leuten. 28) Von Deisten, Freigeistern und Religionsspöttern. 29) Über die Art, wie man Schwermütige, Tolle und Rasende behandeln müsse. Geschichte zweier Wahnsinniger.
|