13) Mit neidischen, hämischen, verleumderischen, schadenfrohen, mißgünstigen und eifersüchtigen Menschen.
Der Geiz ist eine der unedelsten, schändlichsten Leidenschaften. Man kann sich keine Niederträchtigkeit denken, zu welcher ein Geizhals nicht fähig wäre, wenn seine Begierde nach Reichtümern in das Spiel kommt, und jede Empfindung beßrer Art, Freundschaft, Mitleid und Wohlwollen finden keinen Eingang in sein Herz, wenn sie kein Geld einbringen; ja er gönnt sich selber die unschuldigsten Vergnügungen nicht, insofern er sie nicht unentgeltlich schmecken kann. In jedem Fremden sieht er einen Dieb und in sich selber einen Schmarotzer, der auf Unkosten seines bessern Ichs, seines Mammons, zehrt. Allein in den jetzigen Zeiten, wo der Luxus so übertrieben wird; wo die Bedürfnisse, auch des mäßigsten Mannes, der in der Welt leben und eine Familie unterhalten muß, so groß sind; wo der Preis der nötigen Lebensmittel täglich steigt; wo die Macht des Geldes soviel entscheidet; wo der Reiche ein so beträchtliches Übergewicht über den Armen hat; endlich, wo von der einen Seite Betrug und Falschheit und von der andern Mißtrauen und Mangel an brüderlichen Gesinnungen in allen Ständen sich ausbreiten und daher die Zuversicht auf die Hilfe der Mitmenschen ein unsichres Kapital wird; in diesen Zeiten, meine ich, hat man unrecht, wenn man einen sparsamen, vorsichtigen Mann ohne nähere Prüfung seiner Umstände und der Bewegungsgründe, welche seine Handlungen leiten, sogleich für einen Knicker erklärt. Es gibt ferner unter den wirklich geizigen Leuten solche, die neben dieser Geldbegierde noch von einer andern mitherrschenden Leidenschaft regiert werden. Diese scharren dann zusammen, sparen, betrüben andre und versagen sich alles, außer wo es auf Befriedigung dieser Leidenschaft ankommt; sei es nun Wollust, Gefräßigkeit, Ehrgeiz, Eitelkeit, Neugier, Spielsucht, oder was es auch immer sei. So habe ich Menschen gekannt, die, um einen Louisd'or zu gewinnen, Bruder und Freund verraten und sich der öffentlichen Beschimpfung ausgesetzt haben würden, für den sinnlichen Genuß eines Augenblicks hingegen hundert hingegebene Gulden für gut angelegtes Geld hielten. Noch andre kalkulieren so schlecht, daß sie Heller sparen und Taler wegwerfen. Sie lieben das Geld, aber sie verstehen nicht, damit umzugehn. Um also die Summen wieder zu erhaschen, um welche sie von Gaunern, Abenteurern und Schmeichlern betrogen werden, geben sie ihrem Gesinde nicht satt zu essen, und um tausend Taler wiederzugewinnen, die sie verschleudert haben, wechseln sie auf die unanständigste Weise allerorten einzelne feine Gulden ein, damit sie an jedem vielleicht einen Heller Agio gewinnen. Endlich noch andre sind in allen Stücken freigebig und achten das Geld nicht, in einem einzigen Punkte aber, worauf sie grade Wert setzen, lächerlich geizig. Meine Freunde haben mir oft im Scherze vorgeworfen, daß ich auf diese Art karg in Schreibmaterialien sei, und ich gestehe diese Schwachheit. So wenig reich ich bin, so kostet es mich doch geringre Überwindung, mich von einem halben Gulden, als von einem holländischen Briefbogen zu scheiden, obgleich man für zwölf Groschen vielleicht ein Buch des feinsten Papiers kaufen kann. Die allgemeine Regel im Umgange mit geizigen Leuten ist wohl die, daß wenn man ihre Gunst erhalten will, man nichts von ihnen fordern müsse. Da dies nun aber nicht immer zu ändern ist, so scheint es der Klugheit gemäß, daß man prüfe, zu welcher der vorhin geschilderten Gattungen von Geizigen der Mann, mit dem man es zu tun hat, gehöre, um darnach seine Behandlung einzurichten. Über den Umgang mit Verschwendern brauche ich nichts zu sagen, als daß der verständige Mann sich nicht durch ihr Beispiel zu törichten Ausgaben verleiten lassen und daß der redliche Mann von ihrer übel geordneten Freigebigkeit weder für sich noch für andre Vorteile ziehn soll. |
Erstes Buch Über den Umgang mit sich selbst 14) Über den Geiz und die Verschwendung. 1) Über die vier Haupt-Temperamente und deren Mischungen. 2) Über herrschsüchtige Leute. 3) Über Ehrgeizige. 4) Eitle. 5) Hochmutige, im Gegensatze von Stolzen. 6) Über sehr empfindliche Leute. 7) Über den Umgang mit Eigensinnigen. 8) Mit Zanksüchtigen, Widersprechern und solchen, die Paradoxa lieben. 9) Mit Jähzornigen. 10) Mit Rachgierigen. 11) Mit unentschlossenen, faulen und phlegmatischen Leuten. 12) Mit menschenfremden, mißtrauischen, argwöhnischen, mürrischen und verschlossenen Leuten. 13) Mit neidischen, hämischen, verleumderischen, schadenfrohen, mißgünstigen und eifersüchtigen Menschen. 15) Über das Betragen gegen Undankbare. 16) Gegen ränkevolle Leute und Lügner. 17) Gegen Windbeutel. 18) Gegen Unverschämte, Müßiggänger, Schmarotzer, Schmeichler und zudringliche Leute. 19) Gegen Schurken. 20) Gegen zu bescheidene, zu furchtsame Menschen, 21) Gegen Unvorsichtige und Plauderhafte, Vorwitzige und Neugierige, Zerstreute und Vergessene. 22) Gegen Wunderliche, Sonderlinge und Launenhafte. 23) Über den Umgang mit dummen, schwachen, übertrieben gutherzigen, leichtgläubigen und solchen Menschen, die gewisse Liebhabereien und Steckenpferde haben. 24) Mit munteren und satirischen Leuten. 25) Mit Trunkenbolden, groben Wollüstlingen und andern lasterhaften Leuten. 26) Mit Enthusiasten, Überspannten, Romanhaften, Kraftgenies und exzentrischen Leuten. 27) Etwas von Andächtlern, Heuchlern und abergläubischen Leuten. 28) Von Deisten, Freigeistern und Religionsspöttern. 29) Über die Art, wie man Schwermütige, Tolle und Rasende behandeln müsse. Geschichte zweier Wahnsinniger. |