35) Schrecke, zerre, beunruhige und necke niemand!
Schrecke, zerre und necke auch niemand, selbst Deine Freunde nicht, mit falschen Nachrichten, mit Witzeleien oder was sonst auf einen Augenblick beunruhiget, in Verlegenheit setzt! Es gibt der wahrhaftig, mißvergnügten, unangenehmen, ängstlichen Augenblicke so viele in der Welt, daß es wohl brüderliche Pflicht ist, alles hinwegzuräumen, was die Last der wirklichen und eingebildeten Plagen auch nur um ein Sandkorn erschweren kann. Für ebenso unschicklich halte ich es, einem Freunde aus Scherz, wie es die Gewohnheit mancher Leute ist, mit selbst erfundenen erfreulichen Neuigkeiten ein kurzes Vergnügen zu machen, das nachher vereitelt wird. Das alles ist Neckerei, durch welche die Freuden des Umgangs nicht gewürzt, sondern versalzen werden. Auch soll man nicht die Neugier reizen oder die Leute durch halb abgebrochene Worte ängstigen, sondern lieber gänzlich schweigen, wenn man nicht ausreden will. Es gibt Menschen, welche die Gewohnheit haben, ihren Freunden solche mystischen Warnungen hinzuwerfen als z. B.: »Es läuft ein böses Gerücht von Ihnen herum, aber ich kann, ich darf Ihnen noch nichts darüber sagen.« Dergleichen hat gar keinen Nutzen und beunruhigt.
Überhaupt muß man so wenig als möglich die Leute in Verlegenheit setzen, vielmehr sich bemühn, wenn auch jemand im Begriff ist, eine Unvorsichtigkeit zu begehn (z. B. schlecht von einem Buche zu reden, dessen Verfasser gegenwärtig ist) oder sonst beschämt zu werden, ihm diese Verlegenheit zu ersparen oder die Sache auf irgendeine Weise wieder ins Feine zu bringen.
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