15) Alle Menschen wollen amüsiert sein. Über das Spaßmachen.

Vor allen Dingen vergesse man nie, daß die Leute unterhalten, amüsiert sein wollen; daß selbst der unterrichtendste Umgang ihnen in der Länge ermüdend vorkommt, wenn er nicht zuweilen durch Witz und gute Laune gewürzt wird; daß ferner nichts in der Welt ihnen so witzreich, so weise und so ergötzend scheint, als wenn man sie lobt, ihnen etwas Schmeichelhaftes sagt; daß es aber unter der Würde eines klugen Mannes ist, den Spaßmacher, und eines redlichen Mannes unwert, den niedrigen Schmeichler zu machen. Allein es gibt einen gewissen Mittelweg; diesen rate ich einzuschlagen, und da jeder Mensch doch wenigstens eine gute Seite hat, die man loben darf, und dies Lob, wenn es nicht übertrieben wird, aus dem Munde eines verständigen Mannes Sporn zu größerer Vervollkommnung werden kann, so ist das Wink genug für den, der mich verstehn will.

Zeige, so viel du kannst, eine immer gleiche, heitere Stirne! Nichts ist reizender und liebenswürdiger, als eine gewisse, frohe, muntre Gemütsart, die aus der Quelle eines schuldlosen, nicht von heftigen Leidenschaften in Tumult gesetzten Herzens hervorströmt. Wer immer nach Witz hascht, wem man es ansieht, daß er darauf studiert hat, die Gesellschaft zu unterhalten, der gefällt nur auf kurze Zeit und wird bei wenigen Interesse erwecken; er wird nicht aufgesucht werden von denen, deren Herz sich nach besseren Umgange und deren Kopf sich nach sokratischer Unterhaltung sehnt.

Wer immer Spaß machen will, der erschöpft sich nicht nur leicht und wird matt, sondern hat auch die Unannehmlichkeit, daß, wenn er einmal gerade nicht aufgelegt ist, seinen Vorrat von lustigen Kleinigkeiten zu öffnen, seine Gefährten das sehr ungnädig aufnehmen. Bei jeder Mahlzeit, zu welcher er gebeten wird, bei jeder Aufmerksamkeit, die man ihm erweist, scheint die Bedingung schwer auf ihm zu liegen, daß er diese Ehre durch seine Schwänke zu verdienen suchen solle; und will er es einmal wagen, den Ton zu erheben und etwas Ernsthaftes zu sagen, so lacht man ihm gerade in das Gesicht, ehe er mit seiner Rede halb zu Ende ist. Wahrer Humor und echter Witz lassen sich nicht erzwingen, nicht erkünsteln, aber sie wirken, wie das Umschweben eines höhern Genius, wonnevoll, erwärmend, Ehrfurcht erregend.

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Über den Umgang mit Menschen


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Erstes Buch
Allgemeine Bemerkungen und Vorschriften über den Umgang mit Menschen
15) Alle Menschen wollen amüsiert sein. Über das Spaßmachen.


1) Jeder Mensch muß sich in der Welt selbst gelten machen. Anwendung dieses Satzes.
2) Strebe nach Vollkommenheit; aber nicht nach dem Scheine der Vollkommenheit!
3) Sei nicht zu sehr ein Sklave der Meinung andrer!
4) Enthülle nicht die Schwächen Deiner Nebenmenschen!
5) Eigne Dir nicht das Verdienst andrer zu!
6) Verbirg Deinen Kummer!
7) Rühme nicht zu laut Dein Glück!
8) Verliere nicht die Zuversicht!
9) Suche Gegenwart des Geistes zu haben!
10) Nimm, so wenig als möglich, von andern Wohltaten an!
11) Halte streng Wort und sei wahrhaft!
12) Sei pünktlich, ordentlich, fleißig!
13) Interessiere Dich für andre, wenn Du willst, daß andre sich für Dich interessieren sollen!
14) Sei nicht zu offen herzig!
16) Sage jedem etwas Lehrreiches oder Angenehmes! Über Schmeichelei.
17) Über Spott und Medisance.
18) Über Anekdoten.
19) Trage keine Nachrichten aus einem Hause in das andre!
20) Sei vorsichtig in Tadel und Widerspruch!
21) Rede nicht zu viel und nicht langweilig!
22) Noch von Dingen, die nur Dich interessieren!
23) Über Egoismus.
24) Widersprich Dir nicht im Reden!
25) Wiederhole Dich nicht!
26) Vermeide Zweideutigkeiten;
27) Gemeinsprüche;
28) Unnütze Fragen!
29) Lerne Widerspruch ertragen!
30) Wo man sich zur Freude versammelt, da rede nicht von Geschäften!
31) Über Religionsgespräche.
32) Sei vorsichtig in Gesprächen über andrer Gebrechen!
33) Regeln beim Briefwechsel.
34) Suche niemand lächerlich zu machen!
35) Schrecke, zerre, beunruhige und necke niemand!
36) Bringe bei niemand unangenehme Dinge in Erinnerung!
37) Nimm nicht teil an fremdem Spotte!
38) Über Disputiergeist.
39) Laß jeden seine Handlungen selbst verantworten, wenn Du nicht sein Vormund bist!
40) Betragen, wenn uns Langeweile gemacht wird.
41) Über Verschwiegenheit;
42) Leichtigkeit im Umgange;
43) Wohlredenheit und äußerlicher Anstand;
44) Kleidung.
45) Über kleine gesellschaftliche Unschicklichkeiten.
46) Soll man viel oder wenig in Gesellschaften gehn?
47) Man hüte sich vor zu großen Forderungen!
48) Unterschied im äußern Betragen.
49) Sei, was Du bist, immer und ganz!
50) Gib andern Gelegenheit zu glänzen!
51) Man kann in jeder Gesellschaft etwas lernen.
52) Mit wem soll man umgehn?
53) Über den Umgang in großen Städten, in kleinern, und auf dem Lande.
54) In fremden Gegenden.
55) Verflechte niemand in Deine Privat-Zwistigkeiten!
56) Wenn Du etwas in der Welt erlangen willst, so mußt Du darum bitten.
57) Grenzen der Dienstfertigkeit.
58) Wie man die Menschen beurteilen solle.
59) Vorsichtigkeits-Regeln.
60) Ob diese Regeln für alle Menschen passen?
61) Vor allen Dingen handle immer konsequent!
62) Habe immer ein gutes Gewissen!
63) Inwiefern auch Frauenzimmer von diesen Regeln Gebrauch machen können.

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