22) Noch von Dingen, die nur Dich interessieren!
Es gibt Menschen, die (so wie manche sich fruges consumere natos glauben) auch im geselligen Leben immer nur empfangen, nie geben wollen, die vom übrigen Teile des Publikums amüsiert, unterrichtet, bedient, gelobt, bezahlt, gefüttert zu werden verlangen, ohne etwas dafür zu leisten; die über Langeweile klagen, ohne zu fragen, ob die andern weniger Langeweile gemacht haben; die behaglich dasitzen, sich's wohl sein, sich erzählen lassen, aber nicht daran denken, auch für das Vergnügen der übrigen zu sorgen. - Das ist aber so ungerecht als lästig.
Noch andre findet man, die immer nur ihre eigene Person, ihre häuslichen Umstände, ihre Verhältnisse, ihre Taten und ihre Berufsgeschäfte zum Gegenstande ihrer Unterredung machen und alles dahin zu drehn wissen, jedes Gleichnis, jedes Bild von daher nehmen. So wenig als möglich übertrage in gemischte Gesellschaften den Schnitt, den Ton, den Dir Deine spezielle Erziehung, Dein Handwerk, Deine besondre Lebensart geben. Rede nicht von Dingen, die außer Dir schwerlich jemand interessieren können. Spiele nicht auf Anekdoten an, die Deinem Nachbar unbekannt sind, auf Stellen aus Büchern, die er wahrscheinlich nicht gelesen hat! Rede nicht in einer fremden Sprache, wenn es glaublich ist, daß nicht jeder, der um Dich ist, dieselbe versteht. Lerne den Ton der Gesellschaft annehmen, in welcher Du Dich befindest. Nichts kann abgeschmackter sein, als wenn der Arzt einige junge Damen mit Beschreibung seiner Sammlung anatomischer Präparate, der Rechtsgelehrte einen Hofmann über die unwirksam Possessions-Ergreifung und das edictum Divi Martii, der alte gebrechliche Gelehrte eine junge Kokette von seinem offnen Beinschaden unterhält.
Oft aber tritt der Fall ein, daß man in Gesellschaften gerät, wo es schwer ist, etwas vorzubringen, das Interesse erweckte. Wenn ein verständiger Mann von leeren, elenden Menschen umgeben ist, die für gar nichts von beßrer Art Sinn haben, ei nun! so ist es seine Schuld nicht, wenn er nicht verstanden wird. Er tröste sich also damit, daß er von Dingen geredet hat, die billig interessieren müßten.
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