6) Vorsicht im Umgange mit Journalisten und Anekdotensammlern.
Unter den heutigen sogenannten Gelehrten muß man billigerweise einigen unsrer Journalisten und Anekdotensammler einen ansehnlichen Rang einräumen. Mit diesen Leuten aber ist eine ganz besondre Vorsicht im Umgange nötig. Sie stehen gemeiniglich bei geringem Vorrate an eigener Gelehrsamkeit im Solde irgendeiner herrschsüchtigen Partei oder eines Anführers derselben, sei es nun von Naturalisten, Orthodoxen, Deisten, Schwärmern, Philanthropen, Weltbürgern, Mystikern, oder wovon es immer sei. Dann ziehen sie durchs Land, um Märchen zu sammeln, die sie nach Gelegenheit Dokumente nennen, oder mit dem Schwerte der Verleumdung jeden zu verfolgen, der nicht zu ihrer Fahne schwören will, jedem das Maul zu stopfen, der es wagt, an ihrer Unfehlbarkeit zu zweifeln. Ein einziges Wörtchen, das nicht in ihr System paßt und das sie irgendwo auffangen, gibt ihnen Stoff zu Verketzerungen, zu unwürdigen Neckereien, zu Verfolgungen der besten, sorglosesten, planlosesten Menschen. Sei behutsam im Reden, wenn ein solcher Dich freundlich besucht, und erwarte, daß er nachher einmal Dein Porträt und alles drucken lassen werde, was er bei Dir gesehn und gehört hat. Der Mann, der dies Handwerk in Deutschland am heftigsten treibt und gegen den alle Art von rechtlicher und handfester Hilfe vergebens angewendet wird, dieser Mann heißt - ich muß ihn hier öffentlich nennen - heißt - Anonymus und ist ein gar sonderbarer Mann. Da er sich wie Cartouche in so vielfache Gestalten umzuformen weiß, daß kein Steckbrief auf ihn paßt, so rate ich, jeden Unbekannten, der gewisse Modewörter, wie zum Beispiel: Aufklärung, Publizität, Denkfreiheit, Pädagogie, Toleranz oder einzig seligmachenden Glauben oder Jesuitismus, Katholizismus, Hierarchie, höhere Wissenschaften, Magnetismus oder dergleichen gar zu oft im Munde führt, vorerst für jenen Herrn Anonymus zu halten, der ein garstiger, schadenfroher Spitzbube ist und umhergeht wie ein brüllender Löwe, um zu suchen, wen er verschlingen möchte - leo rugiens, mugiens, quaerens, quem devoret. |
Über den Umgang mit Menschen![]() Auch gut: Der neue Knigge Drittes Buch Über den Umgang mit Gelehrten und Künstlern. 6) Vorsicht im Umgange mit Journalisten und Anekdotensammlern. 1) Was man heutzutage unter einem Gelehrten und Künstler versteht? 2) Ob man den Gelehrten nach seinen Schriften beurteilen könne, und ob ein Schriftsteller auch im Umgange immer anders reden müsse als gewöhnliche Menschen? Es ist sehr zu verzeihn, wenn ein Mann gern von seinem Fache redet. Über Verlästerung berühmter Männer. Über rezitierende junge Gelehrte. 3) Einige Vorsichtigkeitsregeln im Umgange mit Schriftstellern. 4) Über den Umgang der Gelehrten untereinander. 5) Man soll nicht prahlen mit der Freundschaft der Gelehrten, noch mit den Brocken aus ihren Schriften. 7) Über den Umgang mit Dichtern, Musikern, Dilettanten, und wie sich ein Künstler betragen solle, der heutzutage sein Glück machen will? 8) Etwas über das Schauspielerleben. Warnung für den Jüngling, der sein Leben den gefälligen Musen und dem Umgange mit ihren Priestern widmet. 9) Wie man sich zu betragen habe, wenn man die Direktion über Tonkünstler und Schauspieler führt? 10) Man soll den jungen Künstler nicht durch Schmeichelei verderben. Regeln für diesen. 11) Glück im Umgange mit dem echten philosophischen Künstler beschrieben. |
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