7) Man muß auch abschlagen können.

Hilf dem, der dessen bedarf. Befördere und schütze die, welche Dich um Hilfe, Wohltat und Schutz ansprechen, insofern die Gerechtigkeit es gestattet. Aber hüte Dich, so schwach zu sein, daß Du durchaus nichts abschlagen könnest. Daraus entstehen zweierlei nachteilige Folgen: zuerst, daß Leute von niedriger Denkungsart Deine Schwäche mißbrauchen und Dir eine Last von Verbindlichkeiten, Arbeiten und Sorgen auferlegen, die für Dein Herz, für Deine Kräfte oder für Deinen Geldbeutel zu schwer ist, oder wodurch Du gezwungen wirst, ungerecht gegen andre zu handeln, die weniger zudringlich sind. Und dann der zweite Schaden: Wer zu viel verspricht, der wird wider Willen zuweilen sein Wort zu brechen genötigt. Ein fester Mann muß auch den Mut haben, eine abschlägige Antwort geben zu können, und wenn er dies auf edle, nicht beleidigende Weise, aus wichtigen Gründen tut, und sonst dafür bekannt ist, daß er gerecht handelt und gern hilft, so wird er sich dadurch keine Feinde erwecken. Allen Menschen kann man es freilich nicht recht machen, aber wenn man immer konsequent und weise handelt, so werden uns wenigstens die Bessern nicht verkennen. Schwäche ist nicht Güte, und verweigern, was man vernünftigerweise nicht zugestehn kann, heißt nicht hartherzig sein.

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Über den Umgang mit Menschen

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Drittes Buch
Über den Umgang mit Geringern.
7) Man muß auch abschlagen können.

1) Der Leser wird zum Teil auf das verwiesen, was im siebenten Kapitel des zweiten Teils ist gesagt worden.
2) Man sei höflich gegen Geringre, auch dann, wenn man ihrer nicht bedarf! Man ehre das Verdienst, auch im niedern Stande, auch in Gegenwart der Großen, und aus reiner Absicht!
3) Aber diese Höflichkeit sei weder übertrieben noch beleidigend noch abgeschmackt!
4) Man hüte sich vor grenzenloser Vertraulichkeit gegen Leute, die keine
5) Man soll sich im Wohlstande nicht rächen, wenn Leute von niederm Stande uns im Unglücke nicht geachtet, sondern unsern mächtigen Feinden gehuldigt haben. Erziehung haben!
6) Man soll sie nicht mit leeren Versprechungen, nicht mit falschen Hoffnungen täuschen.
8) Zu viel Aufklärung taugt nicht für niedre Stände.
9) Noch etwas über das Betragen gegen Subalterne.
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