2) Man sei höflich gegen Geringre, auch dann, wenn man ihrer nicht bedarf! Man ehre das Verdienst, auch im niedern Stande, auch in Gegenwart der Großen, und aus reiner Absicht!

Man sei höflich und freundlich gegen solche Leute, denen das Glück nicht grade eine so reichliche Summe nichtiger zeitlicher Vorteile zugeworfen hat als uns, und ehre das wahre Verdienst, den echten Wert des Menschen auch im niedern Stande. Man sei nicht wie die mehrsten Vornehmen und Reichen etwa nur darin herablassend gegen Leute von geringerm Stande, wenn man ihrer bedarf, da man sie hingegen verabsäumt oder ihnen übermütig begegnet, sobald man ihrer entbehren kann. Man vernachlässige nicht, sobald ein Größerer gegenwärtig ist, den Mann, den man unter vier Augen mit Freundschaft und Vertraulichkeit behandelt, schäme sich nicht, öffentlich den Mann vor der Welt zu ehren, der Achtung verdient, möchte er auch weder Rang, noch Geld, noch Titel führen. Man ziehe aber nicht die niedern Klassen bloß aus Eigennutz und Eitelkeit vor, um die Stimme des Volks auf unsre Seite zu bringen, um als ein lieber, leutseliger Herr gepriesen und über andre erhoben zu werden. Man wähle nicht vorzüglich den Umgang mit Leuten von gemeiner Erziehung, um etwa in diesen Zirkeln mehr geehrt, mehr geschmeichelt zu werden, und glaube nicht, daß man populär und natürlich sei, wenn man die Sitten des Pöbels nachahmt. Man sei nicht lediglich darum freundlich gegen die Geringern, um irgendeinen Höhern im Range zu demütigen, nicht aus Stolz herablassend, um desto mehr geehrt zu werden, sondern überall aus reiner, redlicher Absicht, aus richtigen Begriffen von Adel und aus Gefühl von Gerechtigkeit, die über alle zufälligen Verhältnisse hinaus in dem Menschen nur den Wert schätzt, den er als Mensch hat.

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Über den Umgang mit Menschen

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Drittes Buch
Über den Umgang mit Geringern.
2) Man sei höflich gegen Geringre, auch dann, wenn man ihrer nicht bedarf! Man ehre das Verdienst, auch im niedern Stande, auch in Gegenwart der Großen, und aus reiner Absicht!

1) Der Leser wird zum Teil auf das verwiesen, was im siebenten Kapitel des zweiten Teils ist gesagt worden.
3) Aber diese Höflichkeit sei weder übertrieben noch beleidigend noch abgeschmackt!
4) Man hüte sich vor grenzenloser Vertraulichkeit gegen Leute, die keine Erziehung haben!
5) Man soll sich im Wohlstande nicht rächen, wenn Leute von niederm Stande uns im Unglücke nicht geachtet, sondern unsern mächtigen Feinden gehuldigt haben.
6) Man soll sie nicht mit leeren Versprechungen, nicht mit falschen Hoffnungen täuschen.
7) Man muß auch abschlagen können.
8) Zu viel Aufklärung taugt nicht für niedre Stände.
9) Noch etwas über das Betragen gegen Subalterne.
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