4) Vorschriften, welche man beobachten soll, um sich einander immer neu, angenehm und wert zu bleiben.

Wichtig ist die Sorgfalt, welche Eheleute anwenden müssen, wenn sie sich so täglich sehen und sehn müssen und also Muße und Gelegenheit genug haben, einer mit des andern Fehlern und Launen bekannt zu werden und, selbst durch die kleinsten derselben, manche Ungemächlichkeit zu leiden; wichtig ist es, Mittel zu erfinden, sich dann nicht gegenseitig lästig, langweilig, nicht kalt, gleichgültig gegeneinander zu werden oder gar Ekel und Abneigung zu empfinden. Hier ist also weise Vorsicht im Umgange nötig. Verstellung fällt in allem Betrachte weg; aber einer gewissen Achtsamkeit auf sich selbst und der möglichsten Entfernung alles dessen, was sicher widrige Eindrücke machen muß, soll man sich befleißigen. Man setze daher nie gegeneinander jene Höflichkeit aus den Augen, die sehr wohl mit Vertraulichkeit bestehn mag und die den Mann von feiner Erziehung bezeichnet. Ohne sich fremd zu werden, sorge man doch dafür, daß man durch oft wiederholte Gespräche über dieselben Gegenstände nicht langweilig sei, daß man sich nicht so auswendig lerne, daß jedes Gespräch der Eheleute unter vier Augen lästig scheint und man sich nach fremder Unterhaltung sehnt. Ich kenne einen Mann, der eine Anzahl Anekdötchen und Einfälle besitzt, die er nun schon so oft seiner Frau, und in deren Gegenwart fremden Leuten ausgekramt hat, daß man dem guten Weibe jedesmal Ekel und Überdruß ansieht, so oft er mit einem dergleichen Stückchen angezogen kommt. Wer gute Bücher liest, Gesellschaften besucht und nachdenkt, der wird ja leicht täglich neuen Stoff zu interessanten Gesprächen finden; aber freilich reicht dieser nicht zu, wenn man den ganzen Tag müßig einander gegenübersitzt, und man darf sich daher nicht wundern, wenn man solche Eheleute antrifft, die, um dieser tötenden Langeweile auszuweichen, wenn grade keine andre Gesellschaft aufzutreiben ist, miteinander halbe Tage lang Piquet spielen oder sich zusammen an einer Flasche Wein ergötzen. Sehr gut ist es desfalls, wenn der Mann bestimmte Berufsarbeiten hat, die ihn wenigstens einige Stunden täglich an seinen Schreibtisch fesseln oder außer Hause rufen, wenn zuweilen kleine Abwesenheiten, Reisen in Geschäften und dergleichen seiner Gegenwart neuen Reiz geben. Ihn erwartet dann sehnsuchtsvoll die treue Gattin, die indes ihrem Hauswesen vorgestanden. Sie empfängt ihn liebreich und freundlich; die Abendstunden gehen unter frohen Gesprächen, bei Verabredungen, die das Wohl ihrer Familie zum Gegenstand haben, im häuslichen Zirkel vorüber, und man wird sich einander nie überdrüssig. Es gibt eine feine, bescheidne Art sich rar zu machen, zu veranlassen, daß man sich nach uns sehne; diese soll man studieren. Auch im Äußern soll man alles entfernen, was zurückscheuchen könnte. Man soll sich seinem Gatten, seiner Gattin nicht in einer ekelhaften, schmutzigen Kleidung zeigen, sich zu Hause nicht zuviel Unmanierlichkeiten erlauben - das ist man ja schon sich selber schuldig - und vor allen Dingen, wenn man auf dem Lande lebt, nicht verbauern, nicht pöbelhafte Sitten noch niedrige, plumpe Ausdrücke im Reden annehmen noch unreinlich, nachlässig an seinem Körper werden. Denn wie ist es möglich, daß eine Frau, die immer an ihrem Manne unter allen übrigen Menschen, mit welchen sie umgeht, am mehrsten Fehler und Unanständigkeiten wahrnimmt, denselben vor allen andern gern sehn, schätzen und lieben soll? - Noch einmal, wenn die Ehe ein Stand der Aufopferung wird, wenn ihre Pflichten als ein schweres Gewicht auf uns liegen, o wie kann dann wahres Glück ihr Teil sein?

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Über den Umgang mit Menschen


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Zweites Buch
Drittes Kapitel: Von dem Umgange unter Eheleuten.
4) Vorschriften, welche man beobachten soll, um sich einander immer neu, angenehm und wert zu bleiben.


1) Gute Wahl der Gatten ist das sicherste Mittel zu künftigem Eheglücke, und das Gegenteil hat traurige Folgen.
2) Warum so manche in der Jugend mit sehr wenig Überlegung geschlossene Ehen dennoch glücklich ausfallen?
3) Ob vollkommene Gleichheit in Temperamenten und Denkungsart zu einer glücklichen Ehe notwendig sei?
5) Hauptregel: Erfülle sorgsam jede Deiner Pflichten!
6) Wie wir uns zu verhalten haben, wenn die liebenswürdigen Eigenschaften fremder Personen zu lebhafte Eindrücke auf unsre Ehegenossen machen.
7) Wie man sich gegen solche Eindrücke wappnen solle, besonders gegen die feinern Koketten; in der Jugend; im reifern Alter.
8) Eheliche Pflicht schließt aber nicht alle zärtlichen Empfindungen für andre Personen aus.
9) Man soll voneinander auch nicht Aufopferung alles eigenen Geschmacks, aller andern unschuldigen Neigungen verlangen, sich aber nach und nach in gleiche Stimmung zu setzen suchen.
10) Wie man wirkliche Ausschweifungen vermeiden solle?
11) Ob man Geheimnisse voreinander haben dürfe?
12) Jeder Ehegenosse soll seine angewiesenen Geschäfte haben.
13) Wie es mit Verwaltung der Kassen zu halten?
14) Wie aber, wenn ein Teil die Verschwendung liebt? Häusliche Sparsamkeit ist ein Mittel zum Eheglücke.
15) Ist es besser, daß der Mann oder daß die Frau reich sei? Ersteres! warum? Betragen gegen eine reiche Frau.
16) Ist es besser, daß der Mann klüger sei als das Weib, oder umgekehrt?
17) Oh man seiner Gattin sein Unglück klagen dürfe? Verhalten in wirklichen Unglücksfallen.
18) Betragen bei gar zu großer Ungleichheit der Denkungsart.
19) Wie man sich verhalten solle, wenn das Schicksal uns mit einer unmoralischen lasterhaften Person auf ewig verbunden hat.
20) Leide nicht, daß Fremde sich in Deine häuslichen Geschäfte mischen! Etwas über böse alte Schwiegermütter.
21) Über Verletzung ehelicher Treue und Ehescheidung.
22) Ob diese Regeln auch anwendbar auf die Ehen unter sehr vornehmen und sehr reichen Leuten sind.

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