15) Ist es besser, daß der Mann oder daß die Frau reich sei? Ersteres! warum? Betragen gegen eine reiche Frau.

Ist es aber besser, daß der Mann oder daß die Frau reich sei? Wenn eines sein soll, so stimme ich für ersteres. Gut ist es, wenn beide einiges Vermögen haben, um zu den Notwendigkeiten des Lebens gemeinschaftlich beitragen zu können, damit nicht einer so ganz auf Unkosten des andern zehre. Soll aber die Abhängigkeit, welche doch natürlicherweise daraus auf seiten des ärmern Teils entsteht, stattfinden, so ist es der Natur gemäßer, daß das Haupt der Familie am mehrsten zum Unterhalte der Familie beitrage. Heiratet aber ein Mann eine reiche Frau, so setze er sich wenigstens in den Fall, dadurch nie ihr Sklave zu werden. Aus Verabsäumung dieser Vorsicht sind so wenig Ehen von der Art glücklich. Hätte meine Frau mir großes Vermögen zugebracht, so würde ich mich doppelt bestreben, ihr zu beweisen, daß ich geringe Bedürfnisse hätte; ich würde wenig an meine Person wenden; ich würde ihr beweisen, daß ich dies Wenige mit meinem Fleiße mir erwerben könnte; ich würde ihr Kostgeld geben; ich würde nur der Verwalter ihres Vermögens sein; ich würde Aufwand im Hause machen, weil das sich für reiche Leute schickt; aber ich würde ihr zeigen, daß dieser Aufwand meiner Eitelkeit nicht schmeichelte; daß ich bei zwei Speisen ebenso vergnügt als bei zwanzigen bin, daß ich keiner Aufwartung bedarf, daß ich gesunde Beine habe, die mich ebenso weit, wenngleich nicht so schnell fortbringen als ihre vergoldeten Wagen; und dann würde ich, wie es dem Hausherrn zukommt, über die Anwendung ihres Vermögens unumschränkte Gewalt verlangen.

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Über den Umgang mit Menschen


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Zweites Buch
Drittes Kapitel: Von dem Umgange unter Eheleuten.
15) Ist es besser, daß der Mann oder daß die Frau reich sei? Ersteres! warum? Betragen gegen eine reiche Frau.


1) Gute Wahl der Gatten ist das sicherste Mittel zu künftigem Eheglücke, und das Gegenteil hat traurige Folgen.
2) Warum so manche in der Jugend mit sehr wenig Überlegung geschlossene Ehen dennoch glücklich ausfallen?
3) Ob vollkommene Gleichheit in Temperamenten und Denkungsart zu einer glücklichen Ehe notwendig sei?
4) Vorschriften, welche man beobachten soll, um sich einander immer neu, angenehm und wert zu bleiben.
5) Hauptregel: Erfülle sorgsam jede Deiner Pflichten!
6) Wie wir uns zu verhalten haben, wenn die liebenswürdigen Eigenschaften fremder Personen zu lebhafte Eindrücke auf unsre Ehegenossen machen.
7) Wie man sich gegen solche Eindrücke wappnen solle, besonders gegen die feinern Koketten; in der Jugend; im reifern Alter.
8) Eheliche Pflicht schließt aber nicht alle zärtlichen Empfindungen für andre Personen aus.
9) Man soll voneinander auch nicht Aufopferung alles eigenen Geschmacks, aller andern unschuldigen Neigungen verlangen, sich aber nach und nach in gleiche Stimmung zu setzen suchen.
10) Wie man wirkliche Ausschweifungen vermeiden solle?
11) Ob man Geheimnisse voreinander haben dürfe?
12) Jeder Ehegenosse soll seine angewiesenen Geschäfte haben.
13) Wie es mit Verwaltung der Kassen zu halten?
14) Wie aber, wenn ein Teil die Verschwendung liebt? Häusliche Sparsamkeit ist ein Mittel zum Eheglücke.
16) Ist es besser, daß der Mann klüger sei als das Weib, oder umgekehrt?
17) Oh man seiner Gattin sein Unglück klagen dürfe? Verhalten in wirklichen Unglücksfallen.
18) Betragen bei gar zu großer Ungleichheit der Denkungsart.
19) Wie man sich verhalten solle, wenn das Schicksal uns mit einer unmoralischen lasterhaften Person auf ewig verbunden hat.
20) Leide nicht, daß Fremde sich in Deine häuslichen Geschäfte mischen! Etwas über böse alte Schwiegermütter.
21) Über Verletzung ehelicher Treue und Ehescheidung.
22) Ob diese Regeln auch anwendbar auf die Ehen unter sehr vornehmen und sehr reichen Leuten sind.

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