10) Wie man wirkliche Ausschweifungen vermeiden solle?

Wie aber soll man sich gegen wirkliche Ausschweifungen waffnen - denn bis jetzt habe ich nur von Herzensverirrungen geredet - wie soll man sich waffnen, wenn von einer Seite heftiges Temperament, ein reizbarer Körper, Mangel an Herrschaft über Leidenschaften, Verführung, Buhlerkünste, anlockende Schönheiten und Gelegenheit uns hinziehn, von der andern vielleicht der Gattin mürrisches Betragen, üble Launen, Dummheit, Kränklichkeit, Mangel an Schönheit, an Jugend, an Gefälligkeit, an Temperament uns zurückstoßen? - Dies Buch ist kein vollkommnes System der Moral; also überlasse ich jedem vernünftigen Manne, diese Frage ausführlich zu beantworten und selbst zu beurteilen, wie er es anfangen müsse, Meister zu werden über seine Begierden, auch gefährlichen Gelegenheiten und Verführungen auszuweichen, welches freilich in der Jugend und in gewissen Lagen und Verhältnissen nicht so leicht ist, als man wohl denkt. Doch soviel über diesen Gegenstand als hierher gehört und sich ohne Beleidigung der Sittsamkeit sagen läßt. Man gewöhne sich selber und einer den andern nicht an Üppigkeit, Wollust, Weichlichkeit und Schwelgerei, mache, daß die körperlichen Bedürfnisse und Begierden nicht zu heftig in uns werden; man sei selbst in der Ehe schamhaft, keusch, delikat und kokett in Gunstbezeugungen, um Ekel, Überdruß und faunische Lüsternheit zu entfernen. Ein Kuß ist ein Kuß, und es wird wahrlich fast immer des Weibes Schuld sein, wenn ein sonst nicht schlechter Mann diesen Kuß, den er von treuen, reinen und warmen Lippen ehrenvoll und bequem zu Hause erlangen könnte, mit Hintansetzung von Pflicht und Anstand, bei Fremden holt. Hat aber die größere Schwierigkeit und Seltenheit so viel Reiz für den Menschen, ei nun! so suche man auch der ehelichen Vertraulichkeit diesen Reiz der Neuheit zu geben, zuweilen kleine Hindernisse in den Weg zu legen oder durch Enthaltsamkeit, Entfernung u. dgl. das Verlangen darnach zu vermehren. In weiter fortrückenden Jahren fällt dann auch dieser Vorwitz so ziemlich weg, denn da werden ja die Triebe bescheidner und leichter von der Vernunft zu regieren, man müßte denn sie mutwilligerweise reizen.

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Über den Umgang mit Menschen


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Zweites Buch
Drittes Kapitel: Von dem Umgange unter Eheleuten.
10) Wie man wirkliche Ausschweifungen vermeiden solle?


1) Gute Wahl der Gatten ist das sicherste Mittel zu künftigem Eheglücke, und das Gegenteil hat traurige Folgen.
2) Warum so manche in der Jugend mit sehr wenig Überlegung geschlossene Ehen dennoch glücklich ausfallen?
3) Ob vollkommene Gleichheit in Temperamenten und Denkungsart zu einer glücklichen Ehe notwendig sei?
4) Vorschriften, welche man beobachten soll, um sich einander immer neu, angenehm und wert zu bleiben.
5) Hauptregel: Erfülle sorgsam jede Deiner Pflichten!
6) Wie wir uns zu verhalten haben, wenn die liebenswürdigen Eigenschaften fremder Personen zu lebhafte Eindrücke auf unsre Ehegenossen machen.
7) Wie man sich gegen solche Eindrücke wappnen solle, besonders gegen die feinern Koketten; in der Jugend; im reifern Alter.
8) Eheliche Pflicht schließt aber nicht alle zärtlichen Empfindungen für andre Personen aus.
9) Man soll voneinander auch nicht Aufopferung alles eigenen Geschmacks, aller andern unschuldigen Neigungen verlangen, sich aber nach und nach in gleiche Stimmung zu setzen suchen.
11) Ob man Geheimnisse voreinander haben dürfe?
12) Jeder Ehegenosse soll seine angewiesenen Geschäfte haben.
13) Wie es mit Verwaltung der Kassen zu halten?
14) Wie aber, wenn ein Teil die Verschwendung liebt? Häusliche Sparsamkeit ist ein Mittel zum Eheglücke.
15) Ist es besser, daß der Mann oder daß die Frau reich sei? Ersteres! warum? Betragen gegen eine reiche Frau.
16) Ist es besser, daß der Mann klüger sei als das Weib, oder umgekehrt?
17) Oh man seiner Gattin sein Unglück klagen dürfe? Verhalten in wirklichen Unglücksfallen.
18) Betragen bei gar zu großer Ungleichheit der Denkungsart.
19) Wie man sich verhalten solle, wenn das Schicksal uns mit einer unmoralischen lasterhaften Person auf ewig verbunden hat.
20) Leide nicht, daß Fremde sich in Deine häuslichen Geschäfte mischen! Etwas über böse alte Schwiegermütter.
21) Über Verletzung ehelicher Treue und Ehescheidung.
22) Ob diese Regeln auch anwendbar auf die Ehen unter sehr vornehmen und sehr reichen Leuten sind.

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