18) Aufführung gegen einen gestürzten Großen.

Wenn Dein Beschützer, wenn ein Großer, dem Du in der Zeit seines äußern Glücks aus Not, Höflichkeit, Politik oder gutem Willen gehuldigt hast, von seiner Höhe herabstürzt, wenn er Stand, Vermögen, Einfluß oder Glanz verliert, so schlage Dich nicht zu der Partei der Niederträchtigen, die dem Unglücklichen, der ihnen zu nichts mehr helfen kann, den Rücken zukehren. Verdient er Deine Hochachtung, so zeige ihm nun mit doppeltem Eifer, daß Dein Herz nicht von der Stimme des Pöbels abhängt; ist er aber Deiner Zuneigung unwert, so schone seiner wenigstens darum, weil er von jedermann verlassen ist und also zu Mißhandlungen schweigen muß. Räche Dich auch eben deswegen nie an dem, von welchem Du verfolgt, gedrückt worden, solange er Gewicht hatte. Sammle vielmehr feurige Kohlen auf sein Haupt, damit er in sich gehe und womöglich durch Großmut gebessert werde.

Hinter die Ohren schreiben >>
Über den Umgang mit Menschen

cover
Auch gut: Der neue Knigge

Drittes Buch
18) Aufführung gegen einen gestürzten Großen.

1) Charakter der mehrsten Großen und Reichen.
2) Unterschied im Umgange mit ihnen, je nachdem man von ihnen abhängt, ihrer bedarf oder nicht.
3) Man soll sich den Vornehmern und Reichern auf keine Weise aufdrängen.
4) Man muß sich nicht das Ansehn geben, als gehörte man zu der Klasse der Vornehmen oder lebte mit ihnen in der engsten Vertraulichkeit, noch ihre Gewohnheiten oder gar ihre Fehler sich eigen machen.
5) Man baue nicht auf alle freundlichen Blicke der Großen und lasse sich da durch nie bewegen, sich mit ihnen gemein zu machen!
6) Grenzen der Gefälligkeit gegen solche Großen, in deren Händen unser bürgerliches Glück ist.
7) Man soll sich von ihnen zu unedeln und gefährlichen Diensten nicht mißbrauchen, sich in keine bedenklichen Händel ziehn noch gewisse Dinge vertraun lassen.
8) Über die Dankbarkeit der Vornehmen und Reichen. Man soll ihnen nichts aufopfern, nichts schenken, nichts leihen, von ihnen nichts borgen.
9) Trage nichts dazu bei, sie und die Ihrigen noch mehr zu verderben, weder durch Schmeichelei noch auf andre Art!
10) Überhaupt soll man bei ihnen vorsichtig im Reden sein und sich aller Medisance enthalten, übrigens aber sie angenehm zu unterhalten suchen.
11) Vorsichtigkeitsregeln in Ansehung solcher Vertraulichkeit mit andern Menschen, woraus Fürsten und Vornehme Verdacht schöpfen können.
12) Rede mit den Großen der Erde nicht von Deinen häuslichen Umständen! Klage ihnen nicht Dein Leid! Vertraue ihnen nichts! Suche ihnen zu zeigen, daß Du ihrer nicht bedarfst! Mache Dich vielmehr ihnen notwendig!
13) Aber hüte Dich, sie Dein Übergewicht fühlen zu lassen, sie zu verdunkeln, besonders Deine Vorgesetzten!
14) Über kleine unschädliche Gefälligkeiten gegen die Großen. Über ihre Liebhabereien und ihren Hang zum Reisen.
15) Betragen, wenn Vornehme und Reiche um Rat fragen.
16) Alle diese Vorsichtigkeitsregeln werden doppelt wichtig im Umgange mit vornehmen Dummköpfen.
17) Betragen, wenn man der Liebling eines Erdengötzen ist.
19) Über die Almosen der Großen.
20) Nicht alle Großen der Erde haben die Fehler ihres Standes. Es gibt edle, gute Menschen unter ihnen.
2l) Noch etwas über den Umgang der Großen und Reichen untereinander.
22) Spöttle nicht über das Kleine an kleinen Höfen!
Besuchen Sie auch Klassiker-der-Weltliteratur.de!