3) Betragen in Prälaturen, Klöstern, Stiften und gegen Domherrn.

In Prälaturen und Klöstern muß man den Ton der Herrn Patrum anzunehmen verstehn, wenn man ihnen willkommen sein will. Ein guter, gesunder Appetit; nach Verhältnis ebensoviel Durst und die Gabe, ein Gläschen mit Geschmack und oft genug ausleeren zu können; ein jovialischer Humor; ein Witz, der nicht zu fein, sondern ein wenig materiell sein muß; zuweilen ein Wortspielchen; ein lateinisches Rätsel, eine Anspielung auf eine scholastische Spitzfindigkeit; einige Bekanntschaft mit Legenden und Kirchenvätern; Beifall, durch baucherschütterndes Lachen an den Tag gelegt, wenn der Pater Spaßmacher - dies Amt pflegt selten unbesetzt zu sein - einen Schwank hervorbringt; viel Ehrerbietung gegen den hochwürdigen Herrn Prälaten, Guardian oder Prior; Bewunderung der Kostbarkeiten, Reliquien, Gebäude und Anstalten; kein Gespräch über Aufklärung und Literatur, aber desto mehr über Politik, Krieg und Frieden; Zeitungsnachrichten; Befriedigung der Neugier, wenn nach Familienumständen und Anekdoten geforscht wird; da, wo man Musik treibt, gezeigt, daß man in dieser Kunst nicht fremd ist; Vorsichtigkeit, wenn von andern geistlichen Orden, besonders von Jesuiten die Rede ist; Rang, Ansehn, Reichtum, Pracht, Titel, Orden und mehr als dies alles, wo es nötig ist, Geschenke - das sind ungefähr die Mittel, dort gut aufgenommen zu werden und sich Achtung zu erwerben.

Zu Domherrn braucht man größtenteils nur Appetit zum Essen und Trinken, mutwillige, ein wenig faunische Laune und Stillschweigen über gelehrte Gegenstände mitzubringen.

In Nonnenklöstern sowie in katholischen und protestantischen weiblichen Stiftern kann man mit einer hübschen stämmigen Figur, mit treuherziger, doch äußerlich anständiger Vertraulichkeit, mit einem Sacke voll Märchen, Neuigkeiten und Späßchen auch ziemlich weit kommen.

Von dem Umgange der Religiosen unter sich rede ich nicht; darüber ist in den Briefen über das Mönchswesen, in den Briefen aus dem Noviziate und in unzähligen andern Schriften schon sehr viel Gutes und Treffendes gesagt worden.

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Über den Umgang mit Menschen

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Auch gut: Der neue Knigge

Drittes Buch
Über den Umgang mit Geistlichen.
3) Betragen in Prälaturen, Klöstern, Stiften und gegen Domherrn.


1) Bild eines redlichen Priesters, im Gegensatz mit einem echten Pfaffen.
2) Vorsichtigkeitsregeln im Umgange mit allen Geistlichen, ohne Unterschied.

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