1) In eigenen und fremden Gefahren.

Ich habe bei mancher Gelegenheit Gegenwart des Geistes und Kaltblütigkeit als Haupterfordernisse zu allen Geschäften und Verrichtungen im menschlichen Leben empfohlen; nirgends aber sind uns diese Eigenschaften notwendiger als in Vorfällen, wo wir oder andre in augenscheinlicher Gefahr schweben. Hier hängt die ganze Rettung in kritischen Augenblicken zuweilen von einem raschen Entschlusse ab. Halte Dich daher nicht mit Geschwätzen auf, wo es not ist zu handeln. Unterdrücke Dein zu zartes Gefühl und winsele nicht, wo Du zugreifen solltest. Sei Dir gegenwärtig in Feuer- und Wassersnot und dergleichen, wo man oft alles verliert, wenn man den Kopf verliert, wo die, welche wir retten können, zuweilen gezwungen werden müssen, sich uns zu überlassen. Vorzüglich wichtig wird diese Gegenwart des Geistes auch dann, wenn man unerwartet von Dieben und Mördern angegriffen wird. Räuber und Banditen sind fast immer entweder furchtsam oder, wenn Verzweiflung sie berauscht, nicht genug auf ihrer Hut, auf ernsthaften, förmlichen Widerstand nicht vorbereitet. Ein entschlossener, kaltblütiger Mann ist da stärker als zehn solcher Elenden, die ihn angreifen. Hier muß aber wohl überlegt werden, ob es Schaden oder Nutzen stiften könne, sich mit Schieß- oder anderm Gewehre zu verteidigen oder nicht; ob es geratner sei, Lärm zu machen oder sich in sein Schicksal zu finden, der Übermacht zu weichen und mit Hingebung seines Mammons sein Leben zu erkaufen. Es lassen sich darüber unmöglich allgemeine Regeln geben. Um aber auf jeden dieser Fälle sich gefaßt zu halten, rate ich, bei kaltem Blute sich in dergleichen Lagen hineinzudenken und sich dann dienliche Maßregeln vorzuschreiben. Ich halte es auch für einen wichtigen Teil der Erziehung, seine Kinder zuweilen nicht nur durch Fragen, wie sie sich bei solchen Gelegenheiten betragen würden, aufmerksam auf unerwartete Vorfälle aller Art zu machen, sondern sie auch zuweilen in wirkliche Verlegenheit zu setzen, um sie an Gegenwart des Geistes zu gewöhnen und sie auf die Probe zu stellen.

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Über den Umgang mit Menschen


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Zweites Buch
Zwölftes Kapitel: Über das Betragen bei verschiedenen Vorfällen im menschlichen Leben.


1) In eigenen und fremden Gefahren.
2) Auf Reisen. Einige Regeln, um bequem, angenehm, wohlfeil und nützlich zu reisen.
3) Über das Betragen in Gesellschaft betrunkener Leute.
4) Regeln beim Ratgeben und Ratfragen.
5) Bei feierlichen Gelegenheiten.
6) Beim Tanze.

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