1) Über die Rechte der Gastfreundschaft in alten und neuern Zeiten.
In alten Zeiten hatte man hohe Begriffe von den Rechten der Gastfreundschaft. Noch pflegen diese Begriffe in Ländern und Provinzen, die weniger bevölkert sind, oder wo einfachere Sitten bei weniger Reichtum, Luxus und Korruption herrschen, sowie auf dem Lande in Ausübung gebracht und die Rechte der Gastfreundschaft heiliggehalten zu werden. In unsern glänzenden Städten hingegen, wo nach und nach der Ton der feinen Lebensart allen Biedersinn zu verdrängen anfängt, da gehören die Gesetze der Gastfreundschaft nur zu den Höflichkeitsregeln, die jeder nach seiner Lage und nach seinem Gefallen mehr oder weniger anerkennt und befolgt oder nicht. Auch ist es wahrlich zu verzeihn, wenn bei immer zunehmendem Luxus und dem mannigfaltigen Mißbrauche, den man in unsern Zeiten von der Gutherzigkeit der Menschen macht, man vorsichtig in Erzeigung solcher Gefälligkeiten wird und wenn man genauere Rücksprache mit seinem Geldbeutel nimmt, bevor man jedem Müßiggänger und freundlichen Schmarotzer Haus, Küche und Keller öffnet. Von der Gastfreundschaft der Großen und Reichen rede ich gar nicht; Langeweile, Eitelkeit und Prachtliebe ordnen das alles aufs beste, und der, welcher gibt, weiß sowohl wie der, welcher empfängt, auf welche Rechnung er dies zu schreiben und wie er sich dabei zu betragen hat. Aber von der Gastfreundschaft unter Personen von mittleren Stande will ich doch etwas sagen und einige allgemeine Regeln geben, die auf diesen Gegenstand anwendbar sind. |
Auch gut: Der neue Knigge Zweites Buch Neuntes Kapitel: Über das Verhältnis zwischen Wirt und Gast. 1) Über die Rechte der Gastfreundschaft in alten und neuern Zeiten. 2) Einige Regeln für den, welcher Gastfreundschaft erzeigt. 3) Betragen des Gastes gegen den Wirt. 4) Es gibt Menschen, die den Wert der erwiesenen Gastfreundschaft zu hoch anrechnen.
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